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Festivalbericht: Weekend of Fear 2023

Das große 25. Jubiläum! Nunja, eigentlich war es bereits das 30. Weekend of Fear, allerdings hat einmal jemand angemerkt, dass ein Festival nur ein Festival ist, wenn es mindestens zwei Tage geht. Und da es fünf WoFs gab, die nur an einem Abend stattfanden, zählen die halt nicht. Aber egal ob 25, 30 oder eine andere Zahl: das Weekend of Fear ist immer einen Besuch Wert! Zumindest wenn man sich gern die neuesten blutigsten und obskursten Filme anschaut, die der weltweite Genre-Untergrund zu bieten hat.

Freitag, 09.06.2023

Und so begaben wir uns am Freitag wieder einmal auf die Reise nach Erlangen, diesmal mit dem Zug. Mit nur einer Stunde Verspätung kamen wir eher an als erwartet. An dieser Stelle ein Lob an die Bahn! Im E-Werk angekommen, wo das WoF schon seit Jahren stattfindet, hatten sich gegen 17 Uhr schon die ersten Besucher und natürlich die Festivalcrew eingefunden. Im Foyer gab es wie immer einen kleinen Verkaufsstand mit Horrorfilmen auf DVD, BD und diesmal sogar VHS und Super 8 Filmrollen, darunter einige Raritäten und Schätze. Zusätzlich gab es wieder hübsche Filmplakate von feinen Horrorklassikern zu erwerben.

Foyer mit Verkaufsstand

18 Uhr ging es dann los mit der Begrüßung durch Mike Neun, der sich bedankte, dass sich in Zeiten von Netflix doch noch so viele vom Sofa hoch bewegen, um ins Kino zu gehen und ein Festival zu besuchen. Das sei nicht selbstverständlich und manche Festivals haben wohl schon aufgegeben. Meine Meinung dazu: Streamingplattformen bieten zum einen nicht die Filme die auf dem WoF laufen, und zum anderen natürlich nicht die Atmosphäre und den Spaß mit Horror-Fans und den Horror-Machern zusammen zu feiern, zu plaudern und sich bei den Filmen gemeinsam zu gruseln und zu amüsieren.

Publikum

Nach der Eröffnung lief als erstes der abstrakte aber hübsch gemachte Zeichentrickfilm „Graviating“. Danach ging es mit „Horrible Movie“ weiter, einer Dokumentation über russische Untergrund-Horrorfilme, die laut den anwesenden Besuchern sehr interessant war. Ich entschied mich stattdessen im Kino 2 den spanischen „Heiresses“ anzuschauen, einem gut gemachten Horrorfilm um ein Medikament, dass kürzlich Verstorbene wieder ins Leben holen soll. Der Film konnte allerdings erst gegen Ende richtig aufdrehen und überzeugen.

Marian Doras Sohn

Im Kino 1 gab es dann um 20:15 Uhr richtig auf die 12! Mit „Profane Exhibit“ wurde eine Extrem-Horror-Anthologie gezeigt, mit der gar keiner mehr gerechnet hätte, da sie sich seit über 10 Jahren in Produktion befand. Mit Beiträgen von Rugero Deodato, Marian Dora, Ryan Nicholson, Yoshihiro Nishimura und einigen anderen Horror- und Untergrund-Legenden wurden den Zuschauern nicht nur blutige, sondern bitterböse und niederschmetternde Kurzfilme serviert, eingebettet in eine ebenso unappetitliche Rahmenhandlung. Marian Doras Sohn, der in der Episode von Dora mitgespielt hatte, die bereits 11 Jahre zuvor gedreht wurde, kam vor dem Film auf die Bühne und hatte Interessantes zum damaligen Dreh zu berichten. Marian selbst war auch anwesend, hielt sich aber im Hintergrund und quatschte in der Pause mit seinen Fans.

Foyer mit Marian Dora von hinten (in gelb)

Nach dieser harten Kost ging es etwas beschaulicher weiter. Zum einen mit dem gelungenen schwedischen Mystery Kurzfilm „Amygdala“ mit Kim Sønderholm, der auch bei einem früheren WoF zu Gast war. Zum anderen mit „Mount Chiak“. Dieser war typisch für Südkorea sehr gut produziert, konnte inhaltlich mit einer Mischung aus Slasher, Geisterfilm und einigen anderen Elementen überraschen, hätte aber gern ein bisschen spannender sein können.

Mike Neun und Elmar Berger

Anschließend gab es um 00:30 Uhr einen Klassiker in einer Fassung, die es eigentlich gar nicht gibt. Der deutsche Horrorfilm „The Devil’s Female“ (aka „Magdalena, vom Teufel besessen“) von Walter Boos, sonst eher bekannt für seine Schulmädchenreport Schmuddelfilme, erschien in Deutschland eigentlich nur auf VHS. Ein Fan hatte über das Bild der US BluRay den deutschen Ton von der Videokassette gelegt, und somit konnte eine deutsche Fassung mit tollem Bild gezeigt werden. Der Film entstand im Fahrwasser von der Exorzist, konnte aber auch mit genug Eigenständigkeit überzeugen und war damit auf jeden Fall eine Wiederentdeckung wert! Hoffentlich erbarmt sich ein deutsches Label und bringt diese vergessene Perle im Mediabook heraus.

Mit dem Werwolffilm „Wolf Hollow“ um 02:45 Uhr hatten sicher noch ein paar Zuschauer ihren Spaß, für mich war allerdings auf Grund akuter Müdigkeit schon vorher Schluss.

Samstag, 10.06.2023

Weekend of Beer

Der Festival Samstag startete wie immer um 14 Uhr mit dem „Weekend of Beer“ im gemütlichen Biergarten des E-Werks bei strahlendem Sonnenschein. Neben Besuchern und Crew fanden sich hier auch bereits einige Stargäste wie Timo Rose, Simon Begemann und Gero Samrey ein, die später ihre neuen Filme präsentieren sollten.

Simon Begemann

16 Uhr ging es dann mit den Filmen los. Simon Begemann, Gewinner des letztjährigen Publikumspreises zeigte seinen neuen Kurzfilm „Illusion“. Der ging zwar in eine ganz andere Richtung als sein Trash-Meisterwerk „Bag Attack“, war aber ebenso gelungen.

Gero Samrey und Anni Adler

Gero Samrey präsentierte zusammen mit Darstellerin Anni Adler und dem Drehbuchautor „Feed the Reapers“ und beantwortete Fragen. Der Film konnte als außergewöhnlicher Slasher mit Tiefgang überzeugen. Schade nur, dass er lediglich 45 Minuten ging, in dieser Qualität hätte man gerne mehr davon gesehen. Der Film konnte beim Publikumsvoting Platz 2 ergattern!

Rodrigo Diaz Ricci

Um 18 Uhr wurde mit „Ligeia – The Vampire“ ein weiterer optisch gelungener Zeichentrickfilm gezeigt, diesmal aus Chile. Der Regisseur Rodrigo Diaz Ricci war extra für die deutsche Premiere seines Kurzfilms angereist und hatte interessantes zu berichten. Das Werk ist mittlerweile auch offiziell bei YT drin, schaut es euch an:




Anschließend wurde der russische Thriller „The Syndrome“ gezeigt. Mike Neun erklärte dazu, dass der Film sehr gut sei und man ja nicht russische Regisseure von Independent-Filmen bestrafen muss, weil Putin Krieg führt. Das WoF hatte zwar auch im Vorfeld Anfeindungen dafür kassiert, russische Filme, aber keine ukrainischen Beiträge zu zeigen, aber es tut ihm leid, es wurde halt kein ukrainischer Film eingereicht der ins Programm gepasst hätte. Als Festivalleiter muss man auch mal über solchen Dingen stehen und rationale Entscheidungen treffen, auch wenn sie gerade nicht der politischen Meinung der Gesellschaft entsprechen. Das finde ich auch gut so und der Film kam wohl auch gut an.

Ich entschied mich allerdings aus völlig anderen Gründen während dessen im Kino 2 einen Film anzuschauen, der so verrückt klang, dass ich ihn einfach sehen musste: „A Life on the Farm“ handelt von einem Mann aus England, der auf seiner Farm obskure Heimvideos drehte. Diese Filme wurden nach seinem Tod gefunden und daraus diese außergewöhnliche Doku gemacht. Found Footage in echt sozusagen. Von der Geburt von Kälbern über Skelette die auf Rasenmähern fahren bis zu seiner toten Mutter, die er im Rollstuhl über die Farm schiebt, sieht man Sachen, die man sich im Traum nicht hätte ausdenken können. Mein persönlicher Favorit des gesamten Festivals! Der Film konnte übrigens auch Platz 3 beim Publikumsvoting erlangen.

Timo Rose, Deena Unverzagt und zwei Produzenten

Zurück im Kino 1 gab es um 20:15 Uhr die Weltpremiere eines Films, die mit einer Live-Perfomance zu einem einmaligen Erlebnis wurde. Timo Rose präsentierte zusammen mit Hauptdarstellerin Deena Unverzagt sowie zwei Produzenten seinen „Winnieh Pooh – Blood and Thunder“. Der Film war komplett fertig bis auf eine Sache: der Sprecher des Teddybären hatte seinen Text noch nicht aufgenommen, deswegen vertonte Produzent Nando Rohner (unter anderem auch bekannt als Autor der Deadline) diese Rolle live – und machte dies sehr gut! Der Film war eine wahrlich einzigartige Mischung aus Slasher und Komödie, sowohl ernsthaft als auch mit surrealistischen, verrückten Szenen, und wurde dafür mit dem Publikumspreis als bester Film ausgezeichnet!

22:30 Uhr schaffte es Marian Dora die gute Stimmung nach unten zu ziehen. Das ist nicht böse gemeint, seine Filme sind halt einfach krass und gehen oftmals schmerzhaft weit über die Grenzen des Zeigbaren hinaus. In seinem Kurzfilm „Reflektionen über das Wesentliche“ wurde mit einer Art symbolischer Schönheitsoperation Kritik am Schönheitswahn unserer Gesellschaft geäußert. Inhaltlich ist das durchaus lobenswert, allerdings sah es mal wieder so aus, als wenn alles echt ist und die Darstellerin tatsächlich leidet. Das hinterlässt schon einen bitteren Nachgeschmack. Nunja, zumindest wurde diesmal nicht gekackt und keine Tiere gequält.

Anschließend gab es eine kleine Programmänderung: um nach dem niederschmetternden Dora das Publikum wieder etwas zu entspannen, wurde „The Barn 2“ vorgezogen. Teil 1 lief damals beim Obscura Film Festival (auch in Deutschland auf Blu-ray erhältlich) und Teil 2 konnte genau so wie der Vorgänger als gelungene Retro-Slasher-Splatter-Komödie überzeugen!

Um 00:30 Uhr lief wie geplant mit „Pig Killer“ ein Film basierend auf dem echten kanadischen Serienkiller, der nebenbei eine Schweinezucht betrieb. Sehr gut umgesetzt und geschauspielert, konnte dieser Film von Chad Ferrin (von dem schon einige Filme bei vergangenen WoFs liefen) auch mit viel Splatter überzeugen.

Richtig spannend wurde es dann nochmal um 02:45 Uhr mit dem letzten Film des Festivals: „They Wait In The Dark“. Der Film ist im Prinzip ein Thriller über häusliche Gewalt, allerdings in einer ungewöhnlichen Konstellation: eine Frau flüchtet darin mit ihrem adoptierten Sohn vor ihrer gewalttätigen Freundin. Der Film bringt dann noch eine übernatürliche Horrorkomponente mit rein, die sich perfekt einfügt, da am Ende alles passend erklärt wird. Auf dem Weg dahin gibt es einiges an Überraschungen und Blut zu sehen. Ein gelungener Abschluss des Festivals!

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschiedete ich mich 04:30 Uhr vom Festival und kehrte ins Hotel zurück. A propos Kehren: zu dieser Zeit machte der städtische Putztrupp gerade die vollgekotzten Bürgersteige von Erlangen sauber, damit die braven Bürger am Sonntag Morgen unbehelligt in die Kirche gehen können. Bei uns im Osten würde es sowas nicht geben, da werden die Jugendlichen einfach aus der Stadt vertrieben damit gleich alles sauber bleibt! Aber egal.

Ich freue mich jedenfalls schon auf das nächste Weekend of Fear, welches da im Jahre 2024 am 14. und 15. Juni stattfinden wird!

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