OT: The Human Centipede II (Full Sequence); Nl/GB/USA 2011; Regie: Tom Six; Darsteller: Laurence R. Harvey, Katherine Templar, Lee Harris, Maddi Black, Bill Hutchens, Ashlynn Yennie
Man kann den ersten Teil lieben oder hassen aber man muss gestehen dass er allein durch seine kranke Idee aus der Masse der Horrorfilme hervorsteht. Gegenüber Remakes, billig Zombiefilmen und dem hundertsten Folter-Abklatsch von Saw ist das Werk von Tom Six an Kreativität kaum zu überbieten. Dieter Laser gibt mit seiner unglaublich genialen Performance dem Film den Rest, im positiven Sinne. Ein Kultfilm ist es schon jetzt, zu recht. Es gibt Leute die sich die Zeichnung des Centipedes tätowieren lassen haben.
Kann eine Fortsetzung dazu gut gehen? Tom Six schiebt nur 2 Jahre später einen zweiten Teil hinterher. Zunächst klingt es danach als wäre es eine typische Horrorfilmfortsetzung: gleiches Thema aber alles muss viel krasser sein. Das Ergebnis kann man aber gar nicht mit dem ersten Teil vergleichen. Es ist ein völlig anderer Film dabei herausgekommen, der lediglich das gleiche Thema behandelt. Nicht nur das: es ist eigentlich gar keine Fortsetzung, sondern mehr so etwas wie ein Spin-Off denn Teil 2 spielt in einer anderen Dimension, einer anderen Realität.
Der Film handelt von Martin. Martin ist etwa 40 Jahre alt, etwas zurück geblieben und übergewichtig, wohnt bei seiner Mutter und sein Lieblingsfilm ist „The Human Centipede“. Durch seinen Lieblingsfilm sieht er in seinem verkorksten Leben einen neuen Sinn: er will auch einen menschlichen Tausendfüßler bauen aus 12 Personen! Diesen Plan setzt er während des Films in aller Deutlichkeit und Abscheulichkeit in die Tat um. Während im ersten Teil Dr. Heiter „100% medizinisch korrekt“ sauber und mit ordentlicher Betäubung die Operation vornimmt, geht Martin hier grobschlächtig und dilettantisch vor. Ohne Betäubung beginnt er dem ersten Opfer mit einem Hammer die Zähne aus dem Mund zu schlagen usw. Anstatt die Leute Arsch an Mund aneinander zunähen, werden sie nur zusammen getackert und mit Panzertape fixiert. Das ganze sowie die folgenden „Kacka“ Szenen sind so widerlich dargestellt, dass es einem schlecht werden kann. Doch das sind noch lang nicht alle Perversitäten im Film. Tom Six versucht hier nahezu alle Grenzen zu überschreiten. Das wirkt teilweise etwas zu viel des guten.
Doch der Film ist viel mehr als nur eine Aneinanderreihung von Splatterszenen und Perversitäten. Zunächst einmal muss man die Darsteller loben. Die Opfer haben wie in Teil eins nicht viel zu tun aber allein schon dass sie diese Demütigungen auf sich nehmen und ihre Rollen spielen verdient Respekt. Der Darsteller des Martin ist einfach nur genial, auf dem gleichen hohen Niveau wie Dieter Laser, und spielt perfekt die Rolle des zurückgebliebenen Psychopathen. Und das ohne im gesamten Film auch nur ein einziges Wort zu sagen!
Die Story des Films bietet auch viel mehr als nur den Tausendfüßler. Während im ersten Teil nicht näher darauf eingegangen wird, warum Dr. Heiter das alles macht, werden hier die Hintergründe des Psychopathen genauer beleuchtet. Seine Mutter macht ihn dafür verantwortlich dass sein Vater im Knast sitzt (sein Vater hat ihn missbraucht) und versucht sogar ihn umzubringen. Sein Psychotherapeut vergeht sich ebenfalls an ihm und seine Mitmenschen sehen ihn nur als Schwachsinnigen an auf dem man herum trampeln kann.
Weiterhin greift der Film ein seit Jahren aktuelles Thema auf und behandelt dieses in aller Konsequenz: regen Filme oder andere Medien zum Nachmachen an? Was wäre wenn ein geistig kranker Mensch einen brutalen Film sieht und das Ganze nachmacht? Kann von einem Film eine reale Gefahr ausgehen? Der Film beantwortet diese Fragen nicht, regt aber zum nachdenken an. Mit der Person Martin wird die schlechtest mögliche Ausgangssituation dargestellt. Seine Handlungen sind übertrieben aber vorstellbar. Und selbst wenn ihn der Film zu diesen Taten inspiriert hat: ist nicht sein Umfeld daran Schuld das er zu dem wurde was er ist? Ist Counterstrike daran schuld das Robert Steinhäuser in seiner Schule zum Massenmürder wurde?
Achja, ich hätte fast vergessen zu erwähnen dass der Film durch sein schwarz-weiß besonders dreckig rüber kommt und dass er durchaus spannend ist und von Anfang bis zum Ende fesselt (und gleichzeitig abstößt).
Fazit: Für hartgesottene die sich mal 90 Minuten so richtig schockieren und anekeln lassen wollen ist dieser Film eine Empfehlung. Nach dem Film dann über die Aussage des Films nachzudenken ist die zweite Empfehlung.
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