Im neuen Film des Schweizer Regisseurs Juval Marlon (Sturmgewehr, Frühlingsgefühle) geht es gewohnt hart zur Sache. Das ist nicht nur auf die grafische Gewalt beziehungsweise die Splattereffekte bezogen, sondern auch auf den Inhalt. Von der Thematik her und auf psychologischer Ebene ist „Einöde der Peiniger“ mal wieder richtig harter Tobak.
Denn es geht im Film um Missbrauch. Es wäre naheliegend aber doch recht ausgelutscht gewesen, dies an entsprechenden Beispielen aus der Kirche darzustellen. Stattdessen bekommen wir es mit einer anderen, besonders gemeinen Form zu tun: Misshandlung von behinderten Menschen. Ansatzweise gab es das Thema auch schon in Sturmgewehr.
Der Film ist dabei grob in zwei Hälften unterteilt. In der ersten ist die Hauptfigur eine Physiotherapeutin, die sich mit gehbehinderten Menschen befasst. Allerdings kümmert sie sich nicht gerade liebevoll um sie, sondern sieht sie eher als abartige Untermenschen an. Wenn sich ihre Schützlinge beschweren, werden sie zur Strafe gedemütigt, gefoltert und schließlich auch getötet. In der zweiten Hälfte geht es dann um einen Mann, der sich von der oben genannten Physiotherapeutin einen geistig behinderten Patienten übers Wochenende „ausleiht“. Es sieht zunächst aus, als wolle er sich tatsächlich um ihn kümmern, doch dann verliert er schnell die Geduld, erniedrigt, verletzt und vergewaltigt ihn.
„Einöde der Peiniger“ ist kein Spielfilm im herkömmlichen Sinne. Schon von der Länge her, reiht er sich mit 64 Minuten irgendwo zwischen einem Kurz- und Langfilm ein. Er hat keinen normalen Spannungsbogen, da es kein Opfer gibt, mit dem man mitfiebert, vielmehr sind die beiden Psychopathen die Hauptdarsteller. Es handelt sich mehr um einen Schock- oder einen Kunstfilm. Die Szenen die einen schokieren oder anekeln, sind zwar ein wesentlicher Bestandteil, sie sind aber nicht unbedingt selbstzweckhaft inszeniert. Es werden nicht einfach nur Splatterszenen aneinandergereiht, sondern man merkt, dass der Regisseur eine Aussage treffen will. Auch die künstlerische Gestaltung ist ihm sehr wichtig. So gibt es neben schönen Naturaufnahmen zum Beispiel ästhetische Nacktszenen, alles untermalt von sehr gelungener klassischer Musik von Viktor Astrup.
Der Stil erinnert in Teilen an Marian Dora, beispielsweise wenn die Hauptdarstellerin auf einen Totenschädel pinkelt. Zum Glück bleibt es aber dabei und es wird nicht so eklig wie bei Dora. Auch Tiersnuff gibt es glücklicherweise nicht (sehr wohl aber ein paar Aufnahmen von toten Tieren die zufällig im Wald lagen). Trotz der Referenzen an Marian Dora hat Juval Marlon aber seinen ganz eigenen Stil in seinen extremen Untergrundfilmen gefunden, der zu gefallen weiß.
Obwohl der Film wesentlich besser inszeniert ist als noch Sturmgewehr, wirkt er an einigen Stellen noch recht amateurhaft. Ein paar der Nebendarsteller sind nicht gerade die besten Schauspieler. Das ist allerdings verschmerzbar, da die Hauptdarsteller ihre Sache sehr gut machen. Isa Bellé Fitzgerald gibt wunderbar die Psychopathin und ist sich auch nicht für Nacktszenen zu schade. Jörg Wischnauski („Pesthauch der Menschlichkeit“, Obsession, Frühlingsgefühle) spielt wie immer großartig, mit seiner schrulligen Art bringt er sogar ein bisschen Humor in den sonst sehr ernsten Film. Und auch Marco Klammer kann überzeugen.
Bemängeln kann man allerdings die technische Seite des Films. Zwar sind die Naturaufnahmen sehr schön, haben aber einen etwas tristen Videolook. Was bei „Sturmgewehr“ noch gepasst hat, wirkt hier etwas billig. Mit besserem Color Grading hätte man das Bild und die Farben aufwerten können. Auch sind ein paar wenige Szenen so dunkel gedreht, dass man fast nichts sieht. Weiterhin ist der Schnitt nicht gerade toll. Bei sehr abrupten Übergängen mit Tonsprüngen ist noch Luft nach oben.
Fazit: Alles in allem ist Juval Marlon mit „Einöde der Peiniger“ ein ziemlich harter und überzeugender Film gelungen. Wer mit Untergrund- und Amateursplatter mit einer künstlerischen Note etwas anfangen kann, sollte diesen Film auf jeden Fall anschauen!
Der Film kommt demnächst über Blacklava heraus.
Filminfo:
OT: Einöde der Peiniger; Schweiz, Deutschland 2022; Regie: Juval Marlon;
Darsteller: Isa Bellé Fitzgerald, Marco Klammer, Jörg Wischnauski, …Die Rechte aller verwendeter Bilder (Filmplakate, Cover, Screenshots) liegen bei den jeweiligen Filmmachern/Publishern und werden von dieser Seite als Bildzitat verwendet um das Review zu untermauern.
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